Suche starten
Von Philosophen, Zahnärzten und Weisheit - die Philolympics am Borg Linz
Linz - 13.02.2025
© Borg Linz
Dass die Philosophie die Liebe zur Weisheit ist, bewies sich am Freitag dem 7. Februar ein weiteres Mal bei der Siegerehrung der Philosophieolympiade 2025 des BORG Linz. Nachdem die Jury (Frau Professor Mimra und Frau Professor Salcher) in den vergangenen Wochen viele zum Nachdenken anregende, klug gewitzte philosophische Essays lesen durfte, konnte sie drei Sieger ermitteln, die mit ihren Texten das BORG Linz bei dem kommenden Landeswettbewerb der Philosophieolympiade vertreten werden.
Während  in den letzten Jahren die Schreibarbeit von zuhause aus verrichtet wurde, fand das Schreiben der Essays in diesem Schuljahr zum ersten Mal vor Ort im BORG statt. Schüler aus der siebten, achten und neunten Klassen durften in einer Arbeitszeit von fünf Stunden an ihren Aufsätzen zu einem der vier bereitgestellten philosophischen Zitate schreiben.

Die hohe Anzahl an Teilnehmern in diesem Schuljahr veranlasste Frau Professor Mimra, unsere Ambition am Schreiben und unser Interesse an der Philosophie reiflich zu loben. Es folgte ein kurzer, von Professor Mimra gehaltener Vortrag über den Ursprung der Philosophie, die Eule als Symbol der Weisheit und die ewige Frage hinter dem Sinn und Zweck der Philosophie. In einem kurzen Diskurs über die Sinnhaftigkeit der Philosophie durften die Schüler ihren individuellen Zugang zur Philosophie schildern und erläutern, weshalb die Philosophie keinesfalls als unsinnige Lappalie abgetan werden darf. Wie Philosophie und Sprache ein untrennbares Band verbindet, zeigte uns Frau Professor Mimra anhand einer Auflistung ihrer liebsten Zitate in unseren Essays über die sie gestolpert war. Zwischendrin begleiteten uns Schüler der 8P immer wieder mit vereinzelten Musikstücken und Songeinlagen.

Und dann war es endlich so weit: Die Siegerehrung der drei besten Essayisten des BORG Linz 2025. Alle Teilnehmer wurden in unbestimmter Reihenfolge aufgerufen, eine Urkunde zur Teilnahme an der Olympiade und einen kleinen Eulenschlüsselanhänger abzuholen. Die letzten drei bis dahin unaufgerufenen Teilnehmer – Simon Gierlinger (8kh), David Jicha (8p) und Constantin Tartarone (7kl) – wurden schließlich zu den Gewinnern der Philosophieolympiade gekürt und durften sich neben Urkunde und Schlüsselanhänger auch über ihre Qualifizierung am Landeswettbewerb der Philosophieolympiade freuen. Obgleich die Platzierung der Gewinner ausblieb, durfte ich dem Publikum meinen Essay vortragen. Anschließend erhielten Simon Gierlinger und ich jeweils ein Buch über die philosophische Lehre als zusätzliches Geschenk.

Das BORG Linz freut sich schon auf die kommende Philosophieolympiade im nächsten Schuljahr, wenn wir hoffentlich viele neue, an der Philosophie interessierte Eulen willkommen heißen dürfen – und mit ihnen eine Menge aufregender philosophischer Erkenntnisse und Thesen!

Der Siegertext von Constantin Tartarone, 7kl
"Philosophen sind wie Zahnärzte, die Löcher aufbohren, ohne sie füllen zu können."
(Aus: Giovanni Guareschi, zitiert von Anne Sophie Meincke: Was ich noch sagen wollte. Philosophie Magazin 2023.)

Der Tag, an dem ich begann, zu denken, war der Tag, an dem ich begann, zu sterben und zu gebären.

Der Mensch als Phönix, dessen Verstand einem fortwährenden Gestaltwechsel unterzogen wird, ist kein vernunftwidriges Sinnbild. Keineswegs sogar: Durchlebt der Mensch zwar keine tatsächliche, physische Tötung und Wiederbelebung, wenn aber in metaphorischer Hinsicht verstanden, eine sehr wohl kognitive. Dabei fungiert der Philosoph als die antreibende Kraft, der Auslöser hinter der Verwandlung. Er ist der Henker des Menschen.
   
Doch ist der Philosoph nicht ausschließlich imstande, den Verstand des Menschen aufzubohren. So vermag er auch, ihn zu füllen, nachdem er ihn geleert hat. Allein die Bereitschaft des Patienten – des Individuums – ermöglicht ihm, seiner Berufung vollends nachgehen zu können, aufzubohren und wieder zu füllen. Füllung ist keine Unmöglichkeit, ganz im Gegenteil – sie ist die Höchstform des philosophischen Könnens und übersteigt das Geschick desjenigen Philosophen, der lediglich die Kunst des Aufbohrens beherrscht.

Doch was bezeichnet dieses „Aufbohren“ und „Füllen“ eigentlich? Worin besteht die Aufgabe des großen Philosophen, des Zahnarztes der Menschheit?
Der Philosoph verschreibt sein Leben einer ständigen Baustelle.

Er rüttelt durch seine Überlegungen und Thesen an den Weltbildern der Leute und reißt ihnen so das feste Fundament von dem, was sie bisher als richtig und falsch wahrgenommen haben, unter den Füßen weg. Doch ist er nicht nur Zerstörer und vernichtende Kraft. In edler Manier streckt er eine rettende Hand denjenigen zu, die er zuvor durch seine Worte ins Taumeln gebracht hat und hilft ihnen, sofern diese Hilfe auch angenommen wird, auf einer bebenden Erde wieder Fuß zu fassen. In weiterer Folge baut er ein Haus, Wohnsiedlungen, Städte. Der Mensch wird sein Bürger und in seinem Haus beherbergt sein, bis er sich umhören und durch die Worte eines anderen Philosophen gefüttert, nachdenken und an seiner Behausung zweifeln wird. Sein Haus wird über ihm zusammenbrechen und er wird sich auf die Suche nach einem neuen Zuhause begeben. Verweilt er ewiglich im heilen Zuhause oder auf den Trümmern des ehemaligen Hauses, wird sein Denken unausweichlich stagnieren.

Die Zusammensetzung des Philosophen als zerstörende Macht und erlösender Heiler ist die grundlegende Voraussetzung für den Fortschritt der Menschheit. Allein die sich ergänzende Zweiseitigkeit seines Wesens ermöglicht dem Menschen einen Wandel zu vollführen und nicht in einem Zustand des verzweifelten Irrens oder des herrlichen Schwelgens zu verharren.

Letztendlich erklärt sich der Mensch zu seiner beständigen Aussetzung von Zerstörung und Wiederaufbau bereit, sobald er sich mit der Philosophie vertraut macht. Selbstverständlich muss er nicht die Lehre desjenigen Philosophen übernehmen, der seine bisherigen Weltanschauungen unter neuem Gedankengut begraben hat. Viel eher ist ihm als Individuum die Freiheit zugesprochen, sich auf eine Reise nach Erkenntnissen zu begeben und seine persönliche Wahrheit unter unzähligen Betrachtungsweisen zu finden.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel, deutscher Philosoph, hat mein Haus zerstört und an dessen Stelle ein neues errichtet. Seine Theorie von den drei Stufen des Geistes hatte mich bei erstmaliger Konfrontation zum Überlegen gebracht und – wie sich später herausstellte – mein bisheriges Verständnis von der Welteigenschaft auf den Kopf gestellt. Zu diesem Zeitpunkt kenne ich Hegel den Zerstörer, Hegel, der meine Unterkunft zermalmt hat, doch wollte ich mich nicht der Verzweiflung hingeben und entschied, seinen Lehren meine Aufmerksamkeit zu gewähren. Wie sich offenbarte, hatten Hegels Gedanken mein Denken und Wahrnehmen verwandelt und noch viel erstaunlicher – ein gänzlich neues Haus auf den Ruinen des alten erbaut.

So darf der Mensch die Fähigkeiten des Philosophen nicht lediglich auf seine Kraft des Aufbohrens reduzieren, sondern muss in gleicher Weise auch seine Begabung zur Füllung von Lücken berücksichtigen. Ja, der Philosoph ist wie ein Zahnarzt fähig, Veränderungen am Menschen vorzunehmen, doch wo der Zahnarzt den Willen des Patienten zu eben jener Veränderung benötigt, muss auch der zu Belehrende bereit sein, volle Disposition über ihn selbst an den Philosophen abzutreten. Allein die Furcht und Ablehnung von Destruktion der bisherigen Wahrheit der Einzelperson hindert sie daran, sich in weiterer Folge an bislang unbekannten Erkenntnissen zu ergötzen und einen frischen Blickwinkel auf die Gesamtheit der Welt zu erhalten.

Wie auch der Phönix muss der Mensch also bereit sein, durch verschiedene Blickwinkel unterschiedlicher Philosophen in seinem Denken dauerhaft zu sterben und wiedergeboren zu werden. Die Missbilligung von Weisheit ist ein viel größeres Übel als der temporäre Tod der individuellen Ideologien. Wer nicht denkt, der stagniert. Wer nicht denkt, verschwendet sein einzigartiges Potenzial als Mensch, dauerhaft über sich selbst hinauszuwachsen, zu sterben und sich selbst in neuer Form zu gebären.

Zu behaupten, der Philosoph wäre lediglich in der Lage, „aufzubohren“ und nicht „aufzufüllen“, ist also eine maßlose Unterschätzung seines Talents. Der Einfluss, den große Philosophen jahrhundertelang auf unsere Wahrnehmung gehabt haben und der ihnen immer noch zuteilwird, stellt dabei den eindeutigsten Beleg dafür dar, dass sie die Menschheit nicht nur mit Fragen peinigen, sondern auch Antworten darbringen, die ganze Löcher füllen können.

Schlussendlich ist es die individuelle Aufgabe jeder Einzelperson, in einem Zyklus aus Tod und Reinkarnation die wundervolle Welt der Philosophie zu bewandern, in Häuser einzuziehen, diese allerdings auch bestimmt hinter sich zu lassen, sobald die Zeit reif ist. Dabei soll er nicht Verzweiflung walten lassen, sobald er glaubt, sein vertrautes Denken wäre vernichtet und ihm das Fundament zum Leben genommen worden. Er muss nur wachsam die Augen offenhalten, lauschen und jemanden finden, dessen Gedanken die aufgebohrten Löcher füllen werden.    

Constantin Tartarone, 7kl
siegerbild2_philosophie-olympiade.jpg
© Borg Linz

Weitere Artikel:

Chronik-Index
2024-09-09
Trendsport macht Schule - ein neuer Schwerpunkt in Hagenberg
mehr...
Chronik-Index
2024-09-16
Willkommen im NAWI-Zweig
mehr...
Chronik-Index
2024-09-27
Kennenlerntage der 5sh im MühlFUNviertel
mehr...
Chronik-Index
2024-09-29
„Lernen lernen”- ein Workshop der 5KM 
mehr...
Chronik-Index
2024-09-29
Kennenlerntag- Pöstlingbergwanderung
mehr...
Chronik-Index
2024-10-02
Ninja Warrior-Wettkampf in der Zero Limits-Trendsporthalle
mehr...
Chronik-Index
2024-10-09
„Gemeinsam reifen“ – 25 Schüler:innen des BORG Linz bei der Maturant:innen-Wallfahrt im Neuen Dom Linz
mehr...
Chronik-Index
2024-10-16
Borg macht Wahl: Das sind die Schülersprecherkandidat:innen
mehr...
Chronik-Index
2024-10-26
Ausflug zu „Das Phantom der Oper“ ins Raimundtheater nach Wien
mehr...
Chronik-Index
2024-10-26
Kennenlerntage der 5kh in Spital am Pyhrn
mehr...
Chronik-Index
2024-11-24
Turbulent, turbulenter - Das war der Maturaball des Borg Linz
mehr...
Chronik-Index
2024-11-27
Borg-Volleyballerinnen holen den 4.Platz bei den Landesmeisterschaften
mehr...
Chronik-Index
2024-11-28
Dem Bruckner Anton auf der Spur...
mehr...
Chronik-Index
2024-12-01
Der gesungene Horizont
mehr...
Chronik-Index
2024-12-02
Starker 5.Platz bei den Volleyball-Landesmeisterschaften der Burschen
mehr...
Chronik-Index
2024-12-06
Der Tag der offenen Tür: ein Einblick in die Vielfalt des BORG Linz
mehr...
Chronik-Index
2024-12-07
Das BORG Hagenberg bei der Bildungsmesse in Pregarten
mehr...
Chronik-Index
2024-12-07
Informationsnachmittag am HagenBORG
mehr...
Chronik-Index
2024-12-09
"Ich will eine Stimme haben, die auch gehört wird."
mehr...
Chronik-Index
2024-12-09
Oberösterreichische Landesmeisterschaften im Basketball - Mit guter Leistung in der Vorrunde ausgeschieden
mehr...
Chronik-Index
2024-12-10
Ein Podcast für die Zweige des BORG Linz
mehr...
Chronik-Index
2024-12-10
Interview mit der Standortsprecherin des Hagenborg Lara Gierlinger
mehr...
Chronik-Index
2024-12-12
Move.On School Concert "Zauberhafte Weihnachten"
mehr...
Chronik-Index
2024-12-17
,,So ziemlich alles ist eine Geschichte‘‘
mehr...
Chronik-Index
2024-12-20
Die ,,Lila Pause": Magische Adventstimmung im BORG Linz
mehr...
Chronik-Index
2025-01-10
Ein magischer Maturaball der 8kh: VerBORGen im Märchenschloss
mehr...
Chronik-Index
2025-01-15
Ein weihnachtlicher Abend am BORG Linz: das Weihnachtskonzert der Musikklassen
mehr...
Chronik-Index
2025-01-20
"Erste Hilfe ist einfach!" - Ein Erste-Hilfe-Kurs für die 6n
mehr...
Chronik-Index
2025-01-31
Ein Interview mit Direktor Jürgen Eder
mehr...
Chronik-Index
2025-02-02
Ein Einblick in die Medienwelt mit Helmut Atteneder
mehr...
Chronik-Index
2025-02-13
Die Galanacht des Sports – Das Sport-BORG glänzt im Rampenlicht!
mehr...
Chronik-Index
2025-02-13
Von Philosophen, Zahnärzten und Weisheit - die Philolympics am Borg Linz
mehr...
Chronik-Index
2025-02-15
Nichts für Warmduscher - Eisbaden mit der 6s
mehr...
Chronik-Index
2025-02-25
Tag der NAWI 2025
mehr...
Chronik-Index
2025-02-25
Wenn man im Labor einen Sonnenbrand bekommen kann...
mehr...
Chronik-Index
2025-02-26
Das Borg Linz auf Medaillenjagd in Wels
mehr...
Chronik-Index
2025-03-10
FIFA-Showdown am Borg Linz
mehr...
Chronik-Index
2025-03-12
DigiPros
mehr...
Chronik-Index
2025-03-14
ORF-Backstage: Wir kamen, sahen und sendeten (fast)!
mehr...
Chronik-Index
2025-03-19
Das Popborg gastiert am Posthof: BORGSounds - das Konzert der Popklassen.
mehr...
Chronik-Index
2025-03-20
Endlich wieder ein Schulbuffet!
mehr...
Chronik-Index
2025-03-24
Faschingsdienstag am HagenBORG
mehr...
Chronik-Index
2025-03-24
Schulredewettbewerb des BORG Linz im Schloss Hagenberg
mehr...
Chronik-Index
2025-03-24
Weihnachtsfeier am HagenBORG
mehr...
Chronik-Index
2025-03-25
"Der entscheidende Punkt..." - BORG_LINZ_VOLLEYS erreichen den 5. Platz bei den oö. Volleyball_mixed Schulmeisterschaften
mehr...
Chronik-Index
2025-03-25
Bericht von den oö. Landesmeisterschaften der Schulen im Tischtennis
mehr...
Chronik-Index
2025-03-25
Ein Besuch im Innerversum
mehr...
Chronik-Index
2025-03-25
Musikzweig und Pop-Zweig jammen gemeinsam am „Girl’s Jazzday“
mehr...
Chronik-Index
2025-03-28
Vom Papier zum Ton - gemeinsam mit Dennis Russell Davies
mehr...
Chronik-Index
2025-03-31
Mathematikwettbewerb am Pi-Tag
mehr...
Chronik-Index
2025-03-31
Projekttag mit unserer Partnerschule aus Budweis
mehr...
Chronik-Index
2025-04-18
BORG Linz erfolgreich bei der Schulschach-Landesmeisterschaft in Linz
mehr...
Chronik-Index
2025-04-18
Köpfchen gefragt – Mathematikolympiade Regionalwettbewerb für Fortgeschrittene
mehr...
Chronik-Index
2025-04-18
Veni, vidi, vici – Linz Marathon 2025
mehr...
Chronik-Index
2025-04-30
72. Landesjugendredewettbewerb 2025
mehr...
Chronik-Index
2025-05-05
HagenBorg goes Gym
mehr...
Chronik-Index
2025-05-05
Sportzweig Hagenberg bekommt eigene Lektüre
mehr...
Chronik-Index
2025-05-13
Barcelona - die Stadt, die alle Bedürfnisse stillt
mehr...
Chronik-Index
2025-05-19
Shakespeare wäre stolz auf uns! – Schüleraufführung von „Ein Sommernachtstraum“ und Preisverleihung des Literaturwettbewerbs
mehr...
Chronik-Index
2025-05-20
Chemieolympiade des BORG Linz beim Chemie-Landeswettbewerb
mehr...
Chronik-Index
2025-05-21
„Carretera a Gusen“: eine Geschichte auf zwei Rädern - und unsere Professorinnen auf Hochtouren
mehr...
Chronik-Index
2025-05-27
Beachvolleyball-Meisterschaften
mehr...
Chronik-Index
2025-06-04
Design? Check. Kunst? Check. MAK? Absolut!
mehr...
Chronik-Index
2025-06-05
Das BORG Honauerstraße ist erneut Faustball- Schullandesmeister!
mehr...
Chronik-Index
2025-06-05
Heute macht niemand blau! – Das Unesco-Kulturprojekt der 5z zum Mühlviertler Blaudruck
mehr...
Chronik-Index
2025-06-09
Kulturaufenthalt der 7kh-Klasse in Brüssel
mehr...
Chronik-Index
2025-06-16
Journalismus aus Oberösterreich: Die Arbeit hinter den Schlagzeilen
mehr...
Chronik-Index
2025-06-17
Sommersportwoche der 5sh: Action, Teamgeist und unvergessliche Erlebnisse in Obertraun
mehr...
Chronik-Index
2025-06-18
6n und 7n auf dem Weg zum Solarcampus in Eberstalzell
mehr...
Chronik-Index
2025-06-18
Bericht über unseren Besuch im Welios in Wels
mehr...
Chronik-Index
2025-06-18
Ein toller 2.Platz fürs Borg Linz bei der Mathematik-Olympiade 2025
mehr...
Chronik-Index
2025-06-19
JKU-Tag der Mathematik-Olympiade
mehr...
© Borg Linz
Der Siegertext von Constantin Tartarone, 7kl
"Philosophen sind wie Zahnärzte, die Löcher aufbohren, ohne sie füllen zu können."
(Aus: Giovanni Guareschi, zitiert von Anne Sophie Meincke: Was ich noch sagen wollte. Philosophie Magazin 2023.)

Der Tag, an dem ich begann, zu denken, war der Tag, an dem ich begann, zu sterben und zu gebären.

Der Mensch als Phönix, dessen Verstand einem fortwährenden Gestaltwechsel unterzogen wird, ist kein vernunftwidriges Sinnbild. Keineswegs sogar: Durchlebt der Mensch zwar keine tatsächliche, physische Tötung und Wiederbelebung, wenn aber in metaphorischer Hinsicht verstanden, eine sehr wohl kognitive. Dabei fungiert der Philosoph als die antreibende Kraft, der Auslöser hinter der Verwandlung. Er ist der Henker des Menschen.
   
Doch ist der Philosoph nicht ausschließlich imstande, den Verstand des Menschen aufzubohren. So vermag er auch, ihn zu füllen, nachdem er ihn geleert hat. Allein die Bereitschaft des Patienten – des Individuums – ermöglicht ihm, seiner Berufung vollends nachgehen zu können, aufzubohren und wieder zu füllen. Füllung ist keine Unmöglichkeit, ganz im Gegenteil – sie ist die Höchstform des philosophischen Könnens und übersteigt das Geschick desjenigen Philosophen, der lediglich die Kunst des Aufbohrens beherrscht.

Doch was bezeichnet dieses „Aufbohren“ und „Füllen“ eigentlich? Worin besteht die Aufgabe des großen Philosophen, des Zahnarztes der Menschheit?
Der Philosoph verschreibt sein Leben einer ständigen Baustelle.

Er rüttelt durch seine Überlegungen und Thesen an den Weltbildern der Leute und reißt ihnen so das feste Fundament von dem, was sie bisher als richtig und falsch wahrgenommen haben, unter den Füßen weg. Doch ist er nicht nur Zerstörer und vernichtende Kraft. In edler Manier streckt er eine rettende Hand denjenigen zu, die er zuvor durch seine Worte ins Taumeln gebracht hat und hilft ihnen, sofern diese Hilfe auch angenommen wird, auf einer bebenden Erde wieder Fuß zu fassen. In weiterer Folge baut er ein Haus, Wohnsiedlungen, Städte. Der Mensch wird sein Bürger und in seinem Haus beherbergt sein, bis er sich umhören und durch die Worte eines anderen Philosophen gefüttert, nachdenken und an seiner Behausung zweifeln wird. Sein Haus wird über ihm zusammenbrechen und er wird sich auf die Suche nach einem neuen Zuhause begeben. Verweilt er ewiglich im heilen Zuhause oder auf den Trümmern des ehemaligen Hauses, wird sein Denken unausweichlich stagnieren.

Die Zusammensetzung des Philosophen als zerstörende Macht und erlösender Heiler ist die grundlegende Voraussetzung für den Fortschritt der Menschheit. Allein die sich ergänzende Zweiseitigkeit seines Wesens ermöglicht dem Menschen einen Wandel zu vollführen und nicht in einem Zustand des verzweifelten Irrens oder des herrlichen Schwelgens zu verharren.

Letztendlich erklärt sich der Mensch zu seiner beständigen Aussetzung von Zerstörung und Wiederaufbau bereit, sobald er sich mit der Philosophie vertraut macht. Selbstverständlich muss er nicht die Lehre desjenigen Philosophen übernehmen, der seine bisherigen Weltanschauungen unter neuem Gedankengut begraben hat. Viel eher ist ihm als Individuum die Freiheit zugesprochen, sich auf eine Reise nach Erkenntnissen zu begeben und seine persönliche Wahrheit unter unzähligen Betrachtungsweisen zu finden.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel, deutscher Philosoph, hat mein Haus zerstört und an dessen Stelle ein neues errichtet. Seine Theorie von den drei Stufen des Geistes hatte mich bei erstmaliger Konfrontation zum Überlegen gebracht und – wie sich später herausstellte – mein bisheriges Verständnis von der Welteigenschaft auf den Kopf gestellt. Zu diesem Zeitpunkt kenne ich Hegel den Zerstörer, Hegel, der meine Unterkunft zermalmt hat, doch wollte ich mich nicht der Verzweiflung hingeben und entschied, seinen Lehren meine Aufmerksamkeit zu gewähren. Wie sich offenbarte, hatten Hegels Gedanken mein Denken und Wahrnehmen verwandelt und noch viel erstaunlicher – ein gänzlich neues Haus auf den Ruinen des alten erbaut.

So darf der Mensch die Fähigkeiten des Philosophen nicht lediglich auf seine Kraft des Aufbohrens reduzieren, sondern muss in gleicher Weise auch seine Begabung zur Füllung von Lücken berücksichtigen. Ja, der Philosoph ist wie ein Zahnarzt fähig, Veränderungen am Menschen vorzunehmen, doch wo der Zahnarzt den Willen des Patienten zu eben jener Veränderung benötigt, muss auch der zu Belehrende bereit sein, volle Disposition über ihn selbst an den Philosophen abzutreten. Allein die Furcht und Ablehnung von Destruktion der bisherigen Wahrheit der Einzelperson hindert sie daran, sich in weiterer Folge an bislang unbekannten Erkenntnissen zu ergötzen und einen frischen Blickwinkel auf die Gesamtheit der Welt zu erhalten.

Wie auch der Phönix muss der Mensch also bereit sein, durch verschiedene Blickwinkel unterschiedlicher Philosophen in seinem Denken dauerhaft zu sterben und wiedergeboren zu werden. Die Missbilligung von Weisheit ist ein viel größeres Übel als der temporäre Tod der individuellen Ideologien. Wer nicht denkt, der stagniert. Wer nicht denkt, verschwendet sein einzigartiges Potenzial als Mensch, dauerhaft über sich selbst hinauszuwachsen, zu sterben und sich selbst in neuer Form zu gebären.

Zu behaupten, der Philosoph wäre lediglich in der Lage, „aufzubohren“ und nicht „aufzufüllen“, ist also eine maßlose Unterschätzung seines Talents. Der Einfluss, den große Philosophen jahrhundertelang auf unsere Wahrnehmung gehabt haben und der ihnen immer noch zuteilwird, stellt dabei den eindeutigsten Beleg dafür dar, dass sie die Menschheit nicht nur mit Fragen peinigen, sondern auch Antworten darbringen, die ganze Löcher füllen können.

Schlussendlich ist es die individuelle Aufgabe jeder Einzelperson, in einem Zyklus aus Tod und Reinkarnation die wundervolle Welt der Philosophie zu bewandern, in Häuser einzuziehen, diese allerdings auch bestimmt hinter sich zu lassen, sobald die Zeit reif ist. Dabei soll er nicht Verzweiflung walten lassen, sobald er glaubt, sein vertrautes Denken wäre vernichtet und ihm das Fundament zum Leben genommen worden. Er muss nur wachsam die Augen offenhalten, lauschen und jemanden finden, dessen Gedanken die aufgebohrten Löcher füllen werden.    

>Video Info
Video ausblenden